03.11. - 24.11.2002: "Die Entdeckung der Langsamkeit" (Ricarda)

Auf, zur vorletzten Runde durch Bolivien. Insgesamt dauert die Fahrt 3 Wochen und schildert unsere Erlebnisse von Sucre, Potosí, dem Nationalpark "Sajama" und die Sandfahrt nach Uyuni. Aber laßt mich am Anfang beginnen. Also, wo waren wir das letzte Mal stehen geblieben? Ach ja, wir waren noch in Santa Cruz bei unserem Freund Kurt.

Am 3. November verlassen wir unser "bequemes Heim", und tauschen es wieder gegen den harten Sattel des Motorrads. Es ist, wie so oft, spannend und auch traurig zugleich, wieder loszufahren. Nachdenklich nehme ich Abschied von Kurt und Txepi. Was werden die nächsten Strecken mit sich bringen? Überraschungen wird es wieder geben, sowohl positiv als auch negativ.
Zunächst fahren wir nach Samaipata. Eine Strecke, die wir schon kennen, denn wir sind sie schon vor ein paar Wochen mit Kurt gefahren. Mit dem Motorrad sieht aber alles ein wenig anders aus, und wir entdecken "schöne" Steinpyramiden.. Man ist viel näher an der Natur dran, als im Auto. So gestaltet sich die Fahrt keineswegs langweilig. Noch einmal fahren wir an den roten Felsen mit den großen "Portalen" vorbei. Eigentlich sieht es nur so aus, denn durch die Verwitterung sind Teile der Felsoberfläche weggebrochen, die einem Torbogen ähnlich sehen.

Nach einer kurzen Pause in Samaipata fahren wir hinunter in ein weites grünes Tal. Es scheint sehr fruchtbar zu sein, denn soweit das Auge reicht sieht man Felder, Felder, Felder. Gleich hinter dem nächsten Anstieg ändert sich das Landschaftsbild. Es wird sehr trocken und das Grün weicht einem Grau, das nur unterbrochen wird von den Kakteenbäumen. Ich fühle mich winzig neben den "riesig in den blauen Himmel" ragenden Kakteen.
Gleichfalls mit der Vegetation ändert sich auch der Straßenbelag. Er paßt sich sozusagen an und besteht nur noch aus Steinen und "polvo" (Staub). Gegen Spätnachmittag erreichen wir Saipina, ein gottverlassenes Dorf, das auf der Hälfte der Strecke nach Sucre liegt. Gottverlassen ja, aber trotzdem gibt es ein "super" Hotel (pure Ironie).

Was will man auch in so einem Dorf erwarten. Wir sind froh, ein Dach über dem Kopf zu haben, denn in der Nacht beginnt es zu regnen. Es regnet in Strömen morgens um 8 Uhr, um 9 Uhr und um 10 Uhr immer noch. Wir bleiben einfach im Bett liegen, auf der Matratze, mit der wir uns fast zudecken können. Was tun? Wir überlegen - weiterfahren im Regen? Wie wird die Strecke aussehen? Aufgeweicht, Matsch? Warten? Noch eine Nacht hier verbringen? Wir entscheiden uns zu bleiben. Was tut man den ganzen Tag in so einem "Nest", noch dazu bei Regen? Die Tagebücher werden auf den letzten Stand der Dinge gebracht, und Reiseführer lesen, vertreibt auch die Zeit. Aber irgendwann wird mir das Zimmer zu eng. Ich wage mich auf die Straße und fühle mich von vielen Augenpaaren beobachtet. Sie scheinen zu fragen:

"Was für eine "Gringa" hat sich hierher verirrt? Was will sie hier?" Die Stimmung erscheint mir nicht sehr freundlich. Kühl und distanziert sind vielleicht die richtigen Worte. Aber vielleicht brauchen die Menschen auch einfach nur Zeit und sind mißtrauisch. Ich fühle mich nicht so wohl in meiner Haut. Außerdem scheint niemand Etwas zu tun zu haben, denn überall sitzen Menschen vor den Häusern.

Früh fahren wir am nächsten Tag los. Der Regen hat sich verzogen und es geht erstaunlich gut. Außer ein paar großen Pfützen, ein wenig Matsch, und einem reißenden Trockenfluß ist nicht mehr viel von der gestrigen Sintflut zu sehen. Gleich hinter Saipina eröffnen sich tolle Ausblicke auf rotleuchtende Berge (Sandstein); noch mehr Kakteenbäume und einen kleinen Canyon. "Marlboro-Land" im kleinen Stil. Wir kommen überhaupt nicht weiter. Foto hier, Foto dort. Nach 2 Stunden sind wir gerade mal 50 km gefahren. Die Gegend ist einfach zu eindrucksvoll, man kann nicht einfach durchrauschen.
Trotzdem geben wir jetzt ein wenig mehr Gas, denn wir wollen bis Sucre fahren, was noch mindestens 200 km weit entfernt ist.
Wir überqueren drei Bergkämme, bis wir ein breites, tiefes Flußtal mit einem großen Fluß erreicht haben. Eine ganze Weile folgen wir dem Fluß aufwärts, ohne besondere Highlights, doch plötzlich hat sie uns wieder, die rote Erde. Erneut leuchten uns rote Buntsandstein-Berge entgegen.

Nach schier endlosen Kilometern, mein Hintern tut schon gewaltig weh, erreichen wir den letzten steilen Anstieg hinauf ins 2700m hoch gelegene Sucre. Mehr und mehr können wir über die Berge hinweg schauen. Das Hochland hat uns wieder.
In der Stadt machen wir uns gleich auf die Suche nach dem Haus von Teresa und Clodomiro. Teresa ist eine alte Schulfreundin von Vicenta, der Haushälterin von Kurts Mutter. Kurt meinte, daß wir bei ihnen bestimmt die Motorräder unterstellen können.
Wir stehen auf der Straße gegenüber des Busterminals und schon spricht mich ein Mann an. Wie sich herausstellt, einer der Söhne von Teresa und Clodomiro. Kurz darauf fahren wir in den Hinterhof des Hauses und sind gleich zum Kaffee eingeladen.
In Sucre bleiben wir ein paar Tage, lassen bei Ricardo neue Hinterreifen aufziehen und schauen uns die Stadt mit ihren Prachtbauten an der Plaza 25 Mayo an. Da ist zum Beispiel das "Casa de la Libertad" (6. August 1825 Unabhängigkeitserklärung Boliviens) und die Kathedrale, die im Renaissance Stil erbaut wurde. Hoch über der Stadt liegt das Convento "La Recoleta", ein Franziskaner Kloster mit schönen Innenhöfen und Orangenbäumen. Von hier hat man einen tollen Ausblick auf Sucre und die umliegenden Berge. Zurück in die Stadt geht es durch kleine Gassen, vorbei an vielen kleinen und großen weißen Häusern. Nicht umsonst wird Sucre auch als die weiße Stadt bezeichnet. Mir gefällt es sehr gut hier, denn es ist überschaubar, nicht so groß, und für bolivianische Verhältnisse auch ziemlich sauber. Das Leben erscheint ruhig, auf der Plaza tummeln sich die Leute, wirklich schön. Nach 6 Wochen ostbolivianischem Tiefland sieht man hier auch wieder einige Touristen. Zugleich gibt es auch eine gewisse Infrastruktur, die sich für uns in Form von netten, kleinen Restaurants, und nicht zu vergessen, von Salteñerias zeigt. Torsten braucht jeden Tag mindestens eine, sonst ist er nicht zufrieden. Sie sind aber auch sehr lecker.

Außerhalb von Sucre wurden 1994 auf dem Gelände eines Zementwerks Dinousaurierspuren gefunden, die man jetzt besichtigen kann. Nahezu senkrecht erhebt sich eine 80m hohe Wand in den Himmel. Im Laufe der Jahrmillionen hat sich durch Erdplattenverschiebungen, diese Platte senkrecht aufgestellt, so daß man jetzt die niedlichen kleinen "Fußdapper" (bis 70cm Durchmesser), wie auf einer Leinwand sehen kann, als ob die riesigen Tiere einfach Wände hinauf laufen konnten. Für unseren Rundgang im Zementwerk werden wir mit Helmen ausgestattet und Torsten sieht mit seinem orangenen T-Shirt, samt orangenem Helm aus, als ob er direkt von der Müllabfuhr käme. Wir haben einen Heidenspaß.
Nicht zu vergessen, im Zusammenhang mit Sucre, unsere Besuche bei Teresa und Clodomiro. Mal laden sie uns zum Nachmittagskaffee, mal zum Abendessen ein, wir haben ausgiebige Gespräche über das Land, die Leute, die wirtschaftliche Lage, man kann sagen, wir fühlen uns richtig wohl bei den Beiden. Wir sind willkommen und genießen eine herzliche Gastfreundschaft. Viel zu früh müssen wir Abschied nehmen.
Die nächste Station auf unserem Weg heißt Potosí. Über "puro asfalto" kommen wir im "Sauseschritt" voran. Vorbei an der alten Hängebrücke von Sucre "klettern" wir hinauf in die Hochebene. Bald können wir den über 4800m hohen "Cerro Rico" sehen, das Wahrzeichen von Potosí, der höchstgelegenen Stadt der Welt auf 4065m. Nach der "sauberen" Stadt Sucre erscheint mir Potosí auf der ersten Blick eher schmuddelig und unfreundlich, denn bei der Einfahrt begrüßen uns Berge von Schutt. Später allerdings, muß ich meinen Eindruck revidieren.
Dem Berg "Cerro Rico" verdankt die Stadt ihre Existenz, denn 1545 wurde hier Silber entdeckt. Die Spanier forcierten die Ausbeutung des Berges, so daß die Stadt zu Beginn der Neuzeit schnell auf 160.000 Einwohner anwuchs und zu dieser Zeit weitaus größer als Rom, Madrid oder Paris war. Bis ins 17. Jahrhundert hinein war sie die größte Stadt des gesamten amerikanischen Kontinents. Man sagt über Potosí, daß sie die Stadt sei, die der Welt "das Meiste" gegeben hat. Selten erwähnt wird allerdings die Tatsache, daß über 8 Millionen Indígenas und afrikanische Sklaven unter spanischer Herrschaft und unmenschlichen Arbeitsbedingungen ihren Tod fanden. Die afrikanischen Sklaven sind binnen weniger Monate an der Höhenkrankheit oder den nächtlichen, eisigen Temperaturen erbärmlich zu Grunde gegangen. Heute ist der "Cerro Rico" durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Er leuchtet braun-rot und immer noch werden Minerale gefördert (Zinn, Zink). Der große Silberstrom ist allerdings schon vor langer Zeit versiegt.

In Potosí angekommen, gehen wir gleich am ersten Abend ins Kino. Nach 8 Monaten, das erste Mal wieder "Flimmerkiste" im großen Stil, was für ein Erlebnis. Was zu Hause ganz normal ist, wird hier in der Ferne etwas ganz Besonderes. Wir haben einen riesigen Filmsaal fast ganz für uns alleine. Und was läuft für ein Film? Natürlich ein amerikanischer Streifen, mit Frauenheld Richard Geere. Englisch mit spanischen Untertiteln. Die Akustik ist so schlecht, daß man auch das Englische kaum verstehen kann, doch da wir ja mittlerweile "Cracks" in Spanisch sind, können wir uns aus dem Sprach-Mix den Sinn zusammen reimen. Tolles Erlebnis, mal was anderes als Moped fahren. Übrigens, wußtet ihr schon, was "Men in Black" auf spanisch heißt?

Als wir das Kino verlassen ist in der Stadt plötzlich die Hölle los. Innerhalb der 2 Stunden haben sich die Straßen mit Menschen gefüllt. Was ist bloß los hier? Kurz darauf sehen wir den Grund, ein Umzug wälzt sich zu nächtlicher Stunde durch die Straßen. Morgen jährt sich mal wieder der Tag der Stadtgründung (10. November), was natürlich gefeiert werden will. Schon wieder haben wir eine Fiesta erwischt. Klasse!

Den nächsten Tag "hängen wir stundenlang auf der Plaza rum", schauen uns die Umzugsgruppen an, als da wären, Musikkapellen, Militärgruppen, die Marktfrauen, die in ihrer Alltagskluft mit laufen, die eigentlich nur aus einer, manchmal etwas schmuddeligen, (blauen) Schürze über normalen Klamotten besteht, eine ziemlich bunte Mischung...
Es macht Spaß, einfach da zu stehen, den Umzug und das bunte Treiben drumherum zu beobachten. Hier wird auf einem winzigen Grill an der Bordsteinkante eine Schweinehälfte gegrillt, dort saufen Würstchen im Fett ab. Die Würstchen werden mit den Fingern zu einem Würstchen-Hamburger mit Salat, Tomate und Zwiebel kombiniert. Ich kann nicht umhin, es riecht so lecker. Wir genehmigen uns beide einen dieser Spezialhamburger - und bleiben auch noch gesund dabei! Zurück zu meinen Beobachtungen. Auf der Parkbank sitzen die alten Indígena-Frauen mit ihren hohen Sonntagshüten, rechts und links hängen die schwarz-grauen, geflochtenen Zöpfe mindestens 50cm lang den Rücken hinunter. Wie alt mag dieses faltige, dunkle, abwesend dreinschauende Gesicht wohl sein? Den ganzen Tag über sammle ich kunterbunte, skurrile, lebendige Eindrücke. Die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein. Todmüde falle ich abends ins Bett.
Was treiben wir noch in Potosí? Jeden morgen gehen wir auf den Markt, um zusammen für 4,50 BS zu frühstücken (7 BS = 1US-$), billiger und netter geht es kaum. Bereits am 2. Tag sind wir schon bekannt und werden herzlich begrüßt. Besonders appetitlich ist es, die allmorgentliche Fleischanlieferung anzuschauen. Natürlich besichtigen wir auch die Stadt, deren historisches Zentrum zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Es blättert zwar kräftig an den Fassaden, aber trotzdem haben die alten Häuser mit ihren Holzvorbauten ihren besonderen Reiz. Ausführlich besichtigen wir das "Casa Real de la Moneda".
Im "Casa Moneda" wurde das Silber des "Cerro Rico" zu Münzen verarbeitet und dann nach Spanien "gekarrt". Ironie des Schicksals: Heute ist es genau umgekehrt. Bolivien bekommt seine Münzen aus Spanien geliefert!

Einen Tag klettern wir in eine Mine des "Cerro Rico", erfahren viel über die damaligen und heutigen Arbeitsbedingungen, die Gebräuche und Sitten der Minenarbeiter, natürlich kauen auch wir Cocablätter und sehen aus wie die "Schweine", als wir die Mine wieder verlassen. An einem Vormittag besichtigen wir die Brauerei "Potosina" von Carlos Wille, Kurts Cousin. Ein etwas anderes Erlebnis als die "Paceña"-Brauerei-Besichtigung in Santa Cruz, denn es wird noch Vieles per Handarbeit gemacht, so daß man noch mehr von der eigentlichen Produktion sehen kann.

Soviel zu Potosí, am 16.11 02 fahren wir weiter in Richtung Ororu. Die ganze Strecke bis Challapata (knapp 100km) ist eine einzige Baustelle, was das Fahren nicht immer einfach macht. Außerdem überrascht uns in den Bergen ein Gewitter, nebst Hagelschauer. In Null-Komma-Nichts ist die "Erdstraße", sind die Mopeds und wir weiß, es wird empfindlich kalt. Schnell suchen wir Schutz in großen Drainageröhren, die am Straßenrand liegen und kauern uns zusammen. Somit hat die Baustelle doch noch ihr Gutes. Nach ein paar Minuten ist der ganze Spuk vorbei. Als wir das Altiplano erreicht haben, zieht die nächste Regenfront auf und wir haben keine Lust mehr, noch einmal naß zu werden. In einem kleinen Dorf, indem die Hälfte der Häuser verlassen aussehen, fragen wir nach einer Zeltmöglichkeit. Man sagt uns, wir sollen es bei der Schule probieren. Das Gebäude ist leider abgeschlossen, aber nebenan schlagen wir unser Zelt in einem leerstehenden, halb verfallenen Haus auf. So ist es einigermaßen warm und trocken, denn uns beiden schlottern die Knie vor Kälte. Am Abend besucht uns noch die "Dorfdelegation", schließlich will man wohl wissen, welche "extranjeros" sich da in ihrem Dorf niedergelassen haben.
Der nächste Morgen beginnt mit strahlendem Sonnenschein und das Fahren macht wieder Spaß, bis uns kurz vor Ororu unsere 2. Straßenblockade überrascht. Diesmal zieht sie sich über viele Kilometer hin. An 3 verschiedenen Stellen liegen Steine, stehen Lkws und streikende, teilweise besoffene Minenarbeiter im Weg. Mit den Motorrädern können wir aber auch an diesen Blockaden vorbeifahren. Wir erkundigen uns jedes Mal, ob wir passieren dürfen. Mit sehr gemischten Gefühlen tasten wir uns langsam vor, obwohl die meisten Minenarbeiter doch sehr nett sind. Einzig die Besoffenen scheinen etwas unberechenbar zu sein. Wir sind auf jeden Fall heilfroh, unbeschadet durchgekommen zu sein. Um was ging es bei der insgesamt 7-tägigen Blockade?. Diesmal fordern die Mineros von Ororu, eine privatisierte Mine wieder zu verstaatlichen.
Heute möchten wir gerne bis zum Nationalpark "Sajama" kommen. Nach einem kurzen Einkauf unterwegs rauschen wir weiter, vorbei an Chullpas (Grabtürmen), tollen Steinformationen, bis in der Ferne der Vulkan Sajama auftaucht. Aber es ist schon spät geworden. Wir suchen einen Platz zum Campieren und dann kommt die große Überraschung. Wir fahren auf eine kleine Anhöhe und biegen querfeldein von der Straße ab, vor uns offenbart sich plötzlich ein toller Canyon, der von der Straße kaum sichtbar war. Der Platz ist einen Freudentanz wert.
Hinter bizarren Felsen schlagen wir unser Zelt auf. Von der Straße sind wir hier nicht mehr zu sehen. Wir befinden uns auf einem Plateau und haben eine tolle Fernsicht, so daß wir den Vulkan, nebst zwei weiteren auf chilenischer Seite, sowohl in der Abendsonne, als auch zum Sonnenaufgang bewundern können. Ein kleines Feuer, ein leckeres Essen tun den Rest dazu, damit wir uns rundum wohl fühlen.
Nach ausgiebigem Frühstück entdecken wir große Tafonys (Wabenverwitterungen), und halten einen Plausch mit einer Lamahirtin, die uns ein Lama zum Essen verkaufen will, geht es weiter. Die Straße führt uns bis fast an die chilenische Grenze (Tambo Quemado heißt der Grenzort auf bolivianischer Seite). Dann biegen wir ab zum Dorf Sajama. Über 12 km durchqueren wir tiefen Sand, bis wir das Dorf erreicht haben und weitere 5 km Sand, Sand, Sand, die es uns auch nicht leichter machen, bis zu den Aguas Thermales. Was für eine Mühe, diesen besonderen Platz zu erreichen. Wieder sind wir alleine mit der Natur, dem Vulkan, den Lamas, den Thermalquellen und einem eindrucksvollen Abendrot. Dies alles dürfen wir hier erleben. Ab und zu muß ich mir das bewußt machen, daß es nicht selbstverständlich ist, hier zu sein.

Tags drauf legen wir einen Faulenzertag ein. Neben dem Zelt plätschert das lauwarme Bächlein der Thermalquellen und die Sonne lacht. Während Torsten die Wäsche macht schlendere ich umher, entdecke Enten, beobachte die Lamas, schaue mir das stachelige Gras des Altiplanos genauer an, finde einen Haarbüschel eines Lamas, was sich sehr weich anfühlt, und träume vor mich hin. Erfahre die Natur mit allen Sinnen (die Ergotherapeutin spricht).


"Morgen geht es dann weiter"; denke ich, "entlang der chilenischen Grenze in Richtung Süden".
So gedacht, biegen wir am nächsten Tag bei Tambo Quemado in die andere Richtung ab und fahren über Stock und Stein bis zum Militärposten in Macaya. Keiner scheint hier zu wissen, wie man nach Kotasí (auf der Landkarte keine 10km entfernt) kommt. Nach 3 gescheiterten Versuchen, den Rio Lauca zu über(durch)queren, geben wir es entnervt auf und campieren erst einmal.

Beim Abendessen beratschlagen wir unsere Weiterfahrt. Also gut, morgen wollen wir noch einen Versuch starten, weil Torsten eine letzte, anscheinend zuverlässige Info im Dorf eingeholt hat. Tatsächlich finden wir die Stelle, an der man den Fluß, daß gestrige Hindernis, überqueren kann. Torsten erhofft sich danach einen besseren Weg. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß es danach besser wird, befinden wir uns doch weit ab, von jeder größeren Straße oder Stadt - man könnte auch sagen, wir sind in der totalen "Pampa". Die Hoffnung von Torsten bewahrheitet sich nicht. Wir quälen uns den ganzen Tag durch tiefen, bis sautiefen Sand. Wir durchqueren sandige, trockene Flußbetten und Dörfer mit 4 (!) Einwohnern, halten an, wechseln ein paar Worte, fragen jeden nach dem Weg. Dieser führt uns vorbei an hohen Sanddünen, endloser Weite und Hügeln, ist aber leider schwer passierbar. Irgendwann halten wir vor Erschöpfung an, wälzen uns wie "poco locos" im Sand und denken: "Warum aufregen, besser so nehmen wie es kommt, wir kommen schon voran, aber halt nur sehr, sehr langsam! Das ist unsere Entdeckung der Langsamkeit!" Am Ende des Tages zeigt mein Kilometerzähler ganze 60km mehr an, das ergibt ein Durchschnittstempo von unter 10km/h. Ich denke: "Eigentlich könnten wir auch mit einem Traktor fahren, daß wäre einfacher und genauso schnell."
Bei einem schönen Lagerfeuer halten wir erneut "Kriegsrat" und beschließen, die Tour zu verkürzen, denn es gibt eine Möglichkeit in Sabaya, auf einer größeren Schotterpiste wieder nach Ororu zu fahren. Das bedeutet zwar einen großen Umweg, aber wahrscheinlich ist es schneller, wenn wir so herum fahren.
Über eine ziemliche Wellblechpiste rattern wir nach Ororu und biegen dann wieder nach Challapata ab, um endlich unserem nächsten Ziel, Uyuni näher zu kommen. Als Nächstes hat dann das Wetter eine nette Überraschung für uns parat. Die Regenzeit hat uns eingeholt. Zur Abwechslung geht es durch Wasser, tiefe Matschepampe, nassen Sand und, und, und ... Unsere Gemütsstimmungen erreichen die Talsohle, die Nerven liegen blank. Unsere Hoffnungen, den Salar de Uyuni (den großen Salzsee) noch befahren zu können, sinken von Stunde zu Stunde...

Können wir noch den Salar überqueren, oder hat uns die Regenzeit mittlerweile eingeholt und macht uns einen Strich durch die Rechnung? Das verraten wir in der nächsten Episode unsere Reise...

   
   
   
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