24.08. - 09.09.2002: Wir Steine können auch anders (Zwölfeck) | ||
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Seit über 500 Jahren wohne ich schon in Cusco, in der Stadt, die die Inkas aus uns errichteten und die einstmals Zentrum des riesigen Inkareiches von Ecuador bis Chile war. Die Spanier führten seit Anfang des 16. Jahrhunderts immer wieder Eroberungskriege gegen die Inkaherrscher, und immer wieder wurden viele meiner Kollegen kreuz und quer durch die Stadt getragen, geschoben und zum Bau neuer Gebäude verwendet. Doch den vielen Erdbeben der letzten Jahrhunderte hielten nur die Jungs stand, die von den Inka-Baumeistern persönlich geformt und übereinander getürmt worden waren, alle anderen sind regelmäßig durcheinander gepurzelt.
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Beim Stadtrundgang durch
Cusco zum Beispiel, begegnet man unzähligen, wohlgeformten und paßgenauen
Kollegen von mir. Wir alle vertragen uns prächtig, niemals bedarf
es eines Kittes oder eines anderen Klebemittels zwischen uns. Jeder hat
hier seinen Platz, und jeder fühlt sich wohl in der Stadt, und jeder
ist wohl auch ein bißchen stolz auf sich und seine Individualität. Besonders bewundert werden meine Freunde in der "Iglesia y Convento Santo Domingo". Das Erdbeben von 1950 zerstörte nämlich die von den Spaniern erbaute Kirche und legte die Überreste des inkaischen Sonnenheiligtums "Qoricancha" frei, von denen allesamt unversehrt geblieben sind. Der damalige Mittelpunkt, der Sonnentempel, ist zwar nicht mehr ganz vollständig erhalten, aber dafür leben die extrem präzise bearbeiteten Verwandten in einem harmonischen Halbrund zusammen. Von den vielen Goldplatten, die uns seinerzeit verzierten, ist natürlich keine einzige übrig geblieben, haben alle die Spanier abgerissen und eingeschmolzen! |
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Auf einer Wanderung durch die
Stadt begegnet man ständig traditionell gekleideten Frauen,
die mich ein bißchen an das Leben von damals erinnern. Warum diese
Frauen heutzutage allerdings kleine Lämmer mit sich herumtragen
wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Naja,
vielleicht wollen die Frauen von den vielen umherstreifenden Touristen
auch so gerne fotografiert werden, wie wir. |
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Wie in jeder bedeutenden Stadt gibt es viele altertümliche Gebäude. Vis-a-vis der mächtigen Kathedrale "La Catedral" ragt die von Jesuiten erbaute "Iglesia La Compañía" dem Himmel mit Prunk und Schönheit entgegen. Neben den Iglesias "San Blás" und "San Antonio Abad" gibt es noch mindestens weitere 12 historisch wichtige und restaurierte Bauten, die zur Besichtigung einladen. Doch mich zieht es viel öfter in die große, abwechslungsreiche Markthalle. Die ist zwar architektonisch völlig unbedeutend, dafür aber innendrin und außenherum mit allen möglichen Dingen und buntem Treiben belebt. Mal schauen was es heute alles für exotische Früchte, Gemüse oder Körner gibt. Früher wurden hier ja nur Ocas, eine Art Süßkartoffel, Quinua, das ist Getreidehirse, und geschlachtetes Vieh feilgeboten. Aus solch einem "gekochten" Essen mache ich mir persönlich ja nicht sehr viel, aber neulich habe ich ein ganz leckeres Adobo de Pollo gesehen, das hätte ich schon gerne mal probiert...
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Zurück zu meinen Kollegen. Viele wohnen natürlich nicht in der hektischen, verkehrsdichten Stadt, sondern bevorzugen das ruhige Landleben. Meist formieren sie sich zu großen Festungen wie bei Saqsaywamán und Tambomachay vor den Toren Cuscos, oder zu Tempelburgen wie in Ollantaytambo, Pisaq, Moray, Piquillacta oder Tipón im Heiligen Tal. Manche von uns sind auch in Tempeln und Palästen untergekommen, die zum Beispiel die Stadt Machupicchu aufbauen. Im weltbekannten und zum Weltkulturerbe
gehörenden Machupicchu
habe ich natürlich ebenfalls viele Freunde. Obwohl uns gut 120km
voneinander trennen, besuchen wir uns doch regelmäßig. Natürlich
nicht zu Fuß, da wären wir tagelang auf dem Inka-Trail unterwegs.
Außerdem müßte ich dann mit einem Führer
gehen und viele Dollars bezahlen, denn alleine darf man den Wanderweg
nicht mehr begehen - Touristen zahlen eben gut!!! Nein, normalerweise
nehme ich den Zug bis Aguas Calientes und wandere die letzten 2
Stunden hinauf nach Machupicchu. |
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Ganz gelegentlich nimmt mich
auch mal ein netter
Motorradfahrer beim Trampen durch das Heilige Tal mit.
Dafür verate ich ihm auch, wo er am besten sein Moped
reparieren lassen kann. |
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Irgendwo zwischen den Örtchen grasen Lamas, Alpacas oder Schafe, die verschreckt aufblicken, wenn ich vorbei fahre. Liegt es an meinem Aussehen?!? Ich denke nein, schließlich lassen sich die vielen, kleinen Ferkelchen am Wegesrand überhaupt nicht von mir beeindrucken. Ganz selten besuche ich meinen Ursprungsort weit oben, versteckt in den Bergen. Der Weg dorthin ist beschwerlich, und zu sehen gibt es nicht viel, außer die beeindruckende Weitsicht. So weit abgelegen gibt es doch noch wenige Menschen, die es gut mit uns meinen und die uns gut behandeln. Wir können zwar eine Menge vertragen, und man muß uns auch nicht mit Samthandschuhen anfassen, aber manches Mal erfordert der Umgang mit uns schon sehr viel Fingerspitzengefühl. Die Männer sind alle freundlich und lustig, haben eine dicke "Coca-Backe" und die Gabe, uns zu fromen, wie einst die Baumeister der Inkas. |
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Auf dem Machupicchu
ist immer viel los, es sei denn, es regnet mal wieder 3 Tage in Strömen.
Aber dann besuche ich meine Freunde am Liebsten. Erst einmal drängeln
sich nicht so viele Menschen durch die ausgetretenen Gassen, und
außerdem tauchen die aufziehenden Nebelschwaden und Wolken
die gesamte Tempelstadt in eine mystische Atmosphäre. Der Fußweg hinauf ist ordentlich steil und ich komme mächtig ins Schwitzen, aber mit dem "Touristenbus" für 10 US-$ möchte ich auch nicht hinauf fahren. Klar, daß ich als "Familienmitglied" keine 20 US-$ Eintritt zahlen muß. Nach solch einem anstrengenden Machupicchu-Besuchstag suche ich abends in Aguas Calientes in der Pizzeria noch die heißen Jungs vom Steinofen auf, halte ein kleines Schwätzchen und wärme mich nochmals gut auf. Tags drauf geht es dann wieder zurück nach Cusco, schließlich muß ich wieder an meinen angestammten Platz - bis zum nächsten Ausflug! Aber der wird wohl ohne mich und in Bolivien stattfinden... |
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