21.02. – 23.03.2003: Tierra del Fuego – am Ende der Welt (Torsten) | |||
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Die Asphaltstraße endet abrupt im Wasser. Aus dem Leuchtturmfenster linkerhand lugt durch ein riesiges Teleskop der Leuchtturmwärter über die ruhigen Wogen. Auf unserer Reise versperrt uns ein weiterer Meilenstein mit klangvollem Namen die Weiterfahrt: Die Magellan-Straße! Eingereiht in einer kleinen Fahrzeugschlange erwarten wir die nächste Fähre. Am gegenüberliegenden Ufer können wir Tierra del Fuego schemenhaft erkennen. Die Magellan-Straße trennt die "Isla" (wie Feuerland gerne bezeichnet wird) vom Kontinent. Ich fühle mich ähnlich, wie Monate zuvor am Titicacasee... Es gibt 2 mögliche Fährverbindungen. Die hiesige, nur 20-minütige Überfahrt findet stündlich statt, die andere hingegen, zwischen Punta Arenas und Porvenir fährt nur einmal täglich pro Richtung und dauert fast 2 Stunden. | ||
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Über 30 km zeigt sich Feuerland von seiner guten Seite. Wenig Wind, leichter Sonnenschein und eine gute Straße lassen uns erst einmal die Hauptgründe, weshalb wir so schnell hierher gekommen sind (nämlich die kaputten Stoßdämpfer) vergessen. Dann gabelt sich die Straße und geht jeweils in eine Schotterpiste über. Nehmen wir den längeren, weniger befahrenen Weg geradeaus oder biegen wir links ab? Irgendwie zieht es uns links herum, und wie sich bald herausstellt – die schlechtere Alternative. Auf der Piste reiht sich ein Schlagloch ans andere, ein wirklich übles "Gehoppel" mit kaputten Dämpfern. Für die 120km benötigen wir über 3 Stunden und erreichen den Grenzposten San Sebastian völlig entnervt. Hinter der Grenze geht es dann auf argentinischer Seite wieder ruhiger und gelassener auf einer geteerten Straße voran, bis wir die Stadt Rio Grande erreichen. Wir suchen den "Club Nautico" auf, denn dort, so hatten wir verschiedentlich gehört, könne man wohlbehütet in einer "Turnhalle" übernachten. |
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Bei dem Club handelt es sich um einen Ruderclub, in dessen großer Lagerhalle für die Ruderboote noch reichlich Platz für 10 – 15 Motorräder und Fahrräder ist. An die Halle angebaut ist das eigentliche Clubhaus. Im Erdgeschoß wurden super ordentliche sanitäre Anlagen installiert, das Oberschoß ist zu einem Fitneßraum umgebaut, mit Parkettboden und großer Spiegelwand, in einer Ecke steht das "Alibi-Multisportgerät". Das ist sie also, die berühmt-berüchtigte Turnhalle, in der man superkomfortabel übernachten kann. Da es auf Feuerland eigene Erdgasvorkommen gibt und das Gas praktisch nichts kostet, wurden auch keine Thermostate an den Heizkörpern installiert, so daß die Heizung 24 Stunden am Tag "bullert". Die Temperaturregelung erfolgt über geringeres oder weiteres Öffnen der Fenster.
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Wir
sind nicht die einzigen Traveller hier, die dieser Tage
Wärme und Geborgenheit vor dem rauhen, feuerländischen
Klima suchen. Zum Glück ist heute Freitag, denn freitags
gibt es grundsätzlich Asado im Club – es wird
also gegrillt!!! Jeder steuert etwas dazu bei und jeder bekommt etwas
ab. Getränke und Essen werden grundsätzlich geteilt, egal ob
man "fremd" ist, oder nicht. Gegrillt wird
immer dermaßen üppig, daß selbst "Chocolate",
der clubeigene, schokoladenbraune Irisch-Setter, seinen Freßnapf
bis zum nächsten Asado randvoll Fleisch und Knochen hat. |
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Die Motorräder sind wieder fit und wir starten durch zur "letzten" Etappe nach Ushuaia – ans Ende der Welt. Nur noch 200 km trennen uns vom absoluten Ende der befahrbaren "Routa 3". Das Wetter ist durchwachsen, mal sonnig, mal wolkig und ständig bläst uns eine kräftige Brise aus Westen entgegen. Auf ausgedehnten Ebenen des feuerländischen Flachlands tummeln sich Schafe, Schafe und nochmals Schafe. Wir stoppen nur noch sehr selten, wie ein Sog hat uns das – in greifbare Nähe gekommene – Ende der Welt erfaßt. Wir müssen einfach weiter, immer weiter, als hätten wir seit fast einem Jahr nur dieses eine Ziel vor Augen gehabt. Und dann am Nachmittag endlich, liegt uns die Stadt Ushuaia zu Füßen. Wir campieren auf einem netten Campingplatz am Stadtrand, unmittelbar neben einem Fluß, in dem wir gelegentlich einige Biber beobachten können. Im Hauptgebäude des Campingplatzes können wir gut und geschützt kochen und essen. | ||
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Der nächste
Tag steht ganz und gar im Zeichen vom "Ende der Welt"!
Bei Nieselwetter und grau-verhangenem Himmel arbeiten wir uns langsam
bis zur "Bahía Lapataia" vor. Hier ist
nun endgültig Schluß. Hier endet die befahrbare Straße.
Nur noch ein "Katzensprung" bis in die Antarktis,
dafür aber 17848 km bis nach Alaska!
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Einige Tage
später, zurück im Club Nautico in Rio Grande. Erneut ein Freitag,
erneut ein Asado. Wir lernen Judith und Carlos
kennen, die uns ganz fasziniert und begeistert an den Lippen hängen,
als wir von unserer Reise berichten, und daß wir nun seit fast einem
Jahr unterwegs sind. Die Beiden würden uns am liebsten gleich mitnehmen,
und bieten uns zwei Betten in ihrem Haus an. Wir lehnen dankend ab, denn
schließlich wollen wir in 1-2 Tagen weiterfahren, so daß sich
der Aufwand des "Wohnungswechsels" kaum lohnen
würde. Schweren Herzens akzeptieren sie die Entscheidung, überreden
uns aber noch, wenigstens bis Sonntag zu bleiben und mit ihnen zur "Fiesta
de Ovejeros" (zum Schäferfest) zu kommen. Bei herrlichem
Sonnenschein fahren wir ca. 35km südlich von Rio Grande auf die Schaffarm
"El Roble". |
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Gerade soeben angekommen, verschlägts mir fast den Atem - so etwas hab ich meinen Lebtag noch nicht gesehen: Daß zur Fiesta gegrillt wird – ist logisch! Daß es ein ordentliches, argentinisches Asado sein muß – ist ebenfalls logisch! Aber daß gleichzeitig 46 (!!!) Schafe um 3 - mehrere Meter lange - Scheiterhaufen gegrillt werden, strapaziert meinen "deutschen-netten-Grillabend-Horizont" aufs Äußerste und verleiht der Fiesta-Atmosphäre einen skurrilen Beigeschmack. Apropos Geschmack: Auch dieses Grillfest ist eine bis dato unerreichte, kulinarische Spezialität! Zu guter Letzt backt Judith am Spätnachmittag (so gegen 18 Uhr) extra noch einen Kuchen für uns – als hätten wir an diesem Tag noch nicht genug zu essen bekommen... | ||
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Doch tags drauf fahren wir bei Regenwetter ab. Zurück nach Chile und über die Magellan-Straße mit der Fähre von Porvenir nach Punta Arenas. Dort erfahren wir, daß es im Torres del Paine – Nationalpark sintflutartige Regenfälle gegeben hat, und die Touristen per Boot aus dem Park geschippert werden mußten. "Komisch, komisch", denke ich immer wieder, "seit dem wir das 'Ende der Welt' erlebt haben, geht unsere Reise einfach nicht mehr so unbekümmert weiter, wie anfänglich. Außerdem fühlen wir uns ein wenig niedergeschlagen, ständig überschattet uns eine "gedrückte Stimmung", obwohl wir doch eben noch entspannende und lustige Tage in Rio Grande verlebt hatten. Ein Schlagwort kursiert in unseren Köpfen, vom dem ich niemals gedacht hatte, daß es mich treffen könnte: Reisemüdigkeit!!! Wir nehmen uns einige Tage Zeit zu überlegen und formen revolutionäre, "merkwürdige" Gedanken. Das Schicksal meint es gut mit uns und so entscheiden wir während eines noblen Essens anläßlich unserer "1-Jahres-Feier", daß wir eine sechsmonatige Unterbrechung einbauen, den Sommer in Deutschland verbringen und zum nächsten südamerikanischen Frühling wieder zurück nach Südamerika kommen! Die Antwort einer e-Mail an Judith und Carlos (aus Rio Grande) erleichtert uns die Entscheidung abermals. "Es ist natürlich überhaupt kein Problem, unsere Motorräder für 6 Monate in Rio Grande zu deponieren. Wir können bei ihnen wohnen, so lange bis wir alles geregelt haben. Wann kommen wir wieder nach Rio Grande? Sie erwarten uns 'stündlich' zurück"... Der Rest nach dieser Entscheidung
ist schnell erzählt: Wir fahren zurück nach Rio Grande,
wohnen noch 8 Tage bei Judith und Carlos, ich nehme über
3 kg zu, da Judith zweimal täglich superleckeres,
warmes Essen für uns kocht. Wir machen die Mopeds 'winterfest'
und fliegen von Rio Grande, mit 3-tägigem Zwischenstopp
in Buenos Aires, direkt nach Frankfurt. Niemand wußte
von unseren 'revolutionären' Plänen, |
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