26.04.-05.05.02: My name is Panamá (Torsten)

Wir verlassen Punta Cahuita am ersten sonnigen Tag nach 3 Regentagen. Unser Ziel heute heißt: Panamá.
Auf der Asphaltstraße kommen wir gut voran, bis sie 33 km vor dem Grenzort Sixaola in eine breite Schotterpiste übergeht. Die 8-15 m breite Piste schlängelt sich entlang und durch unzählige Bananenplantagen, und verjüngt sich nur dann zu einer schmale Fahrspur, wenn sie über eine Art "Brücke" einen der vielen Entwässerungsgräben passiert. Diese ursprünglichen Eisenbahnbrücken (für den Abtransport der Bananen zum Hafen) sind zum Glück nur wenige Meter lang. Daher hat man sich darauf beschränkt, für die Autos und LKWs rechts und links neben die Bahnschienen jeweils 3 dicke, ca. 20 cm breite Holzbohlen zu legen. Zwischen den Schienen die Eisenbahnschwellen, rechts und links daneben NICHTS... Irgendwann nach der 5. Brückenüberfahrt bekomme ich ein bißchen Routine, was allerdings hauptsächlich psychologisch zu begründen ist. Ich denke mir, daß das eigentlich auch ganz gute Fahrübungen sind, denn wer kann schon wissen, was uns in den nächsten Monaten noch alles "unter die Räder" kommt... !!! Wieso in den nächsten MONATEN?!? Die Grenze zwischen Costa Rica und Panamá wird durch den Rio Sixaola gebildet, und hier gibt es nur eine (lange) Eisenbahn-Stahlgerüst-Brücke. Der relativ geringe Grenzverkehr wird wechselseitig über die "einspurige" Eisenbahnbrücke (gleiches Holzbohlen-Schema wie bereits erwähnt) geleitet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mittagshitze!

Ausnahmsweise regelt sich der Papierkram auf costaricanischer Seite fast von selbst. Schnell drängeln wir uns auf der Auffahrt zur Brücke noch an einem bereits wartenden großen Bananen-LKW vorbei. Mehrere Leute stehen herum, geben uns Tipps. Wir können nicht in der Mitte zwischen den Schienen fahren (dort liegen keine Holzplanken), entweder rechts oder links. Ich entscheide mich für rechts. Und als Ricarda ebenfalls (zu) langsam rechts neben die Schienen fahren will, kippt ihre Maschine um. Ich höre nur ein lautes Aufheulen des Motors, blicke in den Rückspiegel und sehe sie zwischen den Gleisen liegen. Zwar stoppe ich sofort, kann aber mein Motorrad nicht abstellen, da der Seitenständer direkt gegen die Schiene stößt. Ich hantiere hektisch herum, sehe dann aber, wie zwei andere Männer ihr zu Hilfe eilen und ihr Motorrad wieder aufrichten. In dem Moment spüre ich das erste Mal ein richtig mulmiges Gefühl in der Magengegend. Doch wir müssen ja irgendwie weiter, hinter uns warten schließlich ein dicker LKW, zwei PKWs und - zu guter Letzt - die Eisenbahn! Ich stehe neben meinem Motorrad und halte es aufrecht. Mein Blick verfolgt gebannt den weiteren Verlauf der Holzplanken. Kann das wahr sein, oder träume ich? Da hinten liegen doch nur noch 2 Planken, und ein Stück weiter nur noch EINE!!! Oh weh! Was ist denn hier bloß los? Jetzt erst erkenne ich den Grund: In der Mitte der Brücke gibt es eine Baustelle, marode Stahlträger werden erneuert, das Geländer und der seitliche Schutzzaun (wenn auch nur psychologisch hilfreich) fehlen. Ich entscheide mich für die Geh-Variante: Zwischen den Schienen setzte ich Fuß vor Fuß auf die Schwellen (mit Blick dazwischen bis hinunter auf den Fluß) und schiebe das Motorrad über schmale, krumme, wellige Holzbohlen. Ich komme ganz gut alleine klar, mache mir nur Gedanken, was Ricarda wohl anstellen mag. Ein flüchtiger Blick zurück gibt Entwarnung: Die 2 hilfsbereiten Männer helfen ihr, das Motorrad zu schieben. Nach gut 150 m ist der Spuk erst einmal vorbei. Wir haben das panamáische Ufer des Rio Sixaola erreicht! Die Motorräder bekommen , wie jedes Auto, eine "Desinfektionsdusche", mit dem einzigen Unterschied, das die Motorräder still stehen, wo ein Auto normalerweise drunter durch fährt. Tank und Sitzbank sind schmierig naß, der Rest bleibt trocken... Ich protestiere lautstark, aber es hilft nichts, Vorschrift eben.
Die Formalitäten erledigen sich immerhin in weniger als 2 Stunden und nach einer kleinen Erfrischungspause setzen wir unsere Fahrt fort. Landschaftlich hat sich nichts geändert, nur auf den Schildern der Bananenplantagen steht nicht mehr "Dole", sondern "Chiquita". Die Straße ist asphaltiert, wenngleich sie riesige Schlaglöcher aufweist. Die 16 km bis Changuinola sind kein Problem, doch was ist das da schon wieder? Von weitem sieht es so aus, wie eine große Eisenbahn-Stahlgerüst-Brücke, und von nahem (leider) auch. Anderes Land, aber gleiches Schema: 3 Holzbohlen rechts und links neben dem Schienenstrang. Zum Glück KEINE Baustelle!. Kurze Verschnaufpause vor der Brücke, es gibt keine Alternative, hier müssen wir rüber! Wir lassen alle Autos passieren, und warten noch, bis sie die Mitte der Brücke erreicht haben, dann setzen wir uns in Bewegung. Wir müssen mindestens 30 km/h fahren, damit die Motorräder einigermaßen stabilisiert geradeaus rollen. Mein Blick ist starr und konzentriert auf die Bohlen fixiert, flüchtig erkenne ich aus dem Augenwinkel heraus, daß es in Brückenmitte keine Schutzzäune gibt. Mein Adrenalinspiegel erreicht wieder "highlevel" Ich muß in den Rückspiegel schauen, was macht Ricarda? Es sieht gut aus, sie fährt auf der mittleren Bohle. Als wir heile auf der anderen Seite ankommen, jubele ich ihr zu "Spitzenklasse, super gemacht,..."

(Abends erzählt sie mir, während der Überfahrt habe sie sich immer gesagt: "Ich fahre, ich fahre, ich fahre, ich fahre, ich fahre, ich fahre, ich fahre...")

Als kleine Wiedergutmachung für diese Strapazen fahren wir die nächsten 160 km über eine nagelneue Asphaltstraße ohne Schlaglöcher nach Chiriquí Grande. Im Ort gibt es nur ein mittelmäßiges Hotel und sehr einfache Pensionen. Zufällig stoßen wir auf 3 sehr nette und hilfsbereite Leute, die sogleich verstehen, daß wir die Motorräder über Nacht sicher untergestellt wissen wollen. Schließlich landen wir in einer simplen, etwas muffigen Pension, die jedoch von einem liebenswürdigen Amerikaner geführt wird. Max Hartman bietet uns an, die Motorräder in den leerstehenden Räumlichkeiten des ehemaligen Geschäftes in der untern Etage der Pension einzuschließen. Super, eine bessere Unterkunft hätten wir hier nicht finden können.

Nachdem wir die Motorräder am nächsten Morgen wieder beladen haben, setzt erneut Regen ein . Trotzdem fahren wir los, wir wollen wieder auf die Pazifikseite, in der Hoffnung, dort trockenere Tage verbringen zu können. Unterwegs denke ich kurzzeitig an den gestrigen Tag zurück: Was hatten wir für ein Glück, daß es gestern trocken gewesen ist...

 

Unsere Hoffung bestätigt sich, auf pazifischer Seite scheint die Sonne. Um nun auch noch dem schwülen Küstenklima zu entgehen, fahren wir von Davíd aus hinauf in das schöne Bergdorf Boquete. Wir verbringen 6 entspannte, ruhige Tage in einer kleinen, familiären Pension, lernen Günter kennen, der vor 8 Jahren mit Pferden in Patagonien losgeritten ist. An einem Tag begleiten wir ihn zu seinen Pferden, er will sie neu beschlagen, am anderen Tag besuchen wir gemeinsam das "Dorf-Rodeo".

Wir verlassen Boquete und brummen über die Interamericana Richtung Panamá-City. Eine langweilige Asphalt-Piste ohne viel Auf-und-Ab und Kurven. Über 450 km sind es bis Panamá-City, doch die wollen wir nicht an einem Tag schaffen. Nochmals biegen wir von der Panamericana in die Berge ab, nach Santa Fé. Da wir dort nur übernachten, machen wir uns nicht die Mühe, den Ort näher ergründen zu wollen. Auf den ersten Blick sieht es auch nicht aus, als würde es sich lohnen...

   
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