25.03. – 15.05.2004: von Brasilien nach Hachmühlen (Torsten)



Florianôpolis ist die Hauptstadt des brasilianischen Bundeslandes Santa Catarina und liegt wunderschön dem Bundesland vorgelagert auf dessen namensgebender Insel "Santa Catarina". In Amacão, am Südzipfel der Insel, schlagen wir unser Zelt auf und genießen den weißen Sandstrand und die herrlichen Wellen des warmen Atlantiks. Via e-Mail haben wir uns mit unseren amerikanischen Motorrad-Freunden Gail & Eric Haws in Florianôpolis verabredet. Als wir am Spätnachmittag unsere e-Mails checken, erfahren wir von ihnen, dass sie einen Tag früher als geplant in Florianôpolis und bereits bei einem Freund namens Gau sind. Wir sollten ebenfalls dorthin kommen.

Am nächsten Tag also versuchen wir die beiden in der Millionenmetropole zu finden. Dank eines ortskundigen Führers (mit Motorrad – hatte Eric irgendwie extra für uns organisiert), finden wir die beiden in weniger als 50 Minuten (ohne den Motorrad-Navigator würden wir heute noch suchen...). Wieder ist es ein "großes Hallo" als wir sie bei Gau treffen – mittlerweile schon das 5. Mal, seit wir uns 2002 auf dem Weg nach Cuzco (Peru) kennengelernt hatten. Gau ist großer "Motorrad-Reisender" in Brasilien und einer der wenigen 11 Brasilianer, die bis dato die gesamte Panamericana von Alaska bis Feuerland mit dem Motorrad abgefahren sind. Abends erzählt Gau von unglaublichen Geschichten, wie er sich bereits Anfang der 70er Jahre mit einer alten, schweren Harley Davidson durch den Amazonas-Dschungel wühlte... Hätte er nicht (ebenso alte) Fotos präsent, ich hätte ihm diese Storys niemals nicht geglaubt!!!

Gemeinsam mit den Amerikanern beschließen wir, in die Berge rund um São Joaquim (mit 1450m üNN höchster Ort Brasiliens) zu fahren, bevor sich unsere Wege wieder trennen würden, denn Gail & Eric sind auf dem Weg nach Norden (Rio de Janeiro) und wir sind auf dem Weg nach Süden (Uruguay). Eric berichtet wieder einmal, er hätte dort (in São Joaquim) einen Freund, bei dem wir sicherlich wohnen könnten. Wir sind etwas skeptisch, denn Amerikaner (im allgemeinen) nennen jeden, mit dem sie mal ein "Wörtchen " gewechselt haben "my friend". Außerdem hat dieser "Freund" noch keine seiner e-Mails beantwortet, die er ihm in den letzten 3 Tagen geschickt hatte. Egal, wir fahren trotzdem!

Am Ortseingang von São Joaquim stoppt Eric abrupt vor dem Gebäude eines Apfel-Großhändlers. Erst langsam bekommen wir heraus, dass Eric im Jahr zuvor einen ca. 20 jährigen japanischen Brasilianer kennengelernt hatte, der auf einem großen BMW-Motorrad in dieser Gegend herum gefahren ist.

Damals hatte der junge Mann Eric angeboten, ihn zu besuchen – und Eric hatte gedacht "wenn so ein junger Kerl mit so einem Motorrad herum fährt, dann müssen die Eltern aber gut betucht sein..."

Nun stehen wir also gerade auf dem Parkplatz vor dem Apfelhandel der (japanischen) Familie. Eric macht zwei Arbeitern verständlich, dass er gerne den Sohn der Familie sprechen möchte. Kein Problem, die beiden stürzen los zum Telefon. Ricarda und ich schauen uns mittlerweile etwas missmutig an, "was hier heute wohl noch passieren wird?". Eine viertel Stunde später hören wir lautes Motorradgebrumme, ein junger Mann auf einem Geländemotorrad hechtet herbei, im Schlepptau seinen Vater im Pkw. Der nun folgenden Unterhaltung kann ich überhaupt nicht mehr folgen, denn die Brasilianer (japanischer Herkunft) sprechen so gut wie kein englisch, Eric dafür überhaupt keine andere Sprache. Hin-und-her und her-und-hin, die Japaner suchen eine Herberge für uns aus, die nicht zu teuer ist und laden uns abends zum Churasco (Grillen) ein - abgemacht!

Um 20:00 Uhr holen sie uns mit dem Auto ab. Erst werden wir kreuz und quer durch den Ort kutschiert, dann lassen wir die letzten beleuchteten Häuser des Städtchens hinter uns und stehen plötzlich vor einer schwer bewachten Toreinfahrt. Aha, der Wächter kennt unseren Fahrer, Erics jungen brasilianisch-japanischen Freund. Im Dunkel erkenne ich nur, wie sich der Weg einen kleinen Berg hinauf schlängelt, auf dessen Gipfel nicht etwa ein Haus steht – nein, nein! Vielmehr thront hier oben eine Mega-Riesen-Luxus-Villa, die ihresgleichen sucht. So etwas habe ich noch nicht gesehen, geschweige denn hier erwartet.
Offensichtlich hat die japanische Zurückhaltung, Höflichkeit und Freundlichkeit die Bewohner dieses Anwesens auf dem Boden der Tatsachen gehalten, denn wir lernen hier völlig normale, liebenswerte und nette Menschen kennen, die weder eingebildet, überheblich oder gar arrogant sind. Die gute Frau des Hauses entschuldigt sich mehrfach, dass sie nicht perfekt englisch spricht und zudem nur "ein paar Kleinigkeiten" zu essen vorbereiten konnte ... es ist halt nicht viel! In diesem Moment denke ich nur an "Asterix bei den Belgiern", Seite 21: "Nicht viel?!?" Es gibt Fleischberge ohne Ende und ausreichend Salate für jeden Geschmack. Im Laufe des Abends erzählt uns die japanische Hausherrin wie sie mit ihrem Mann Ende der 40er Jahre nach Brasilien ausgewandert ist und in dieser Region (durch die Höhenlage nicht so heiß und schwül wie andere Teile Brasiliens) Äpfel und anderes Obst kultiviert haben. Mittlerweile exportieren sie die Äpfel in alle Welt – auch nach Deutschland. Doch noch ein weiteres Gesprächsthema beherrscht den Abend: In der kommenden Nacht soll ein Unwetter – ein Zyklon (so etwas gab es in Brasilien noch nie) - auf die brasilianische Küste treffen. Hier oben in den Bergen, so versichern uns alle, sind wir weit genug von der Küste entfernt und brauchen uns keine Sorgen zu machen...
In der Nacht klappern die Fensterläden verdächtig laut an unserem Zimmerfenster und gegen 5:00 Uhr weckt mich Ricarda auf – wir haben die Regenhauben über den Motorrädern nicht richtig befestigt, sie könnten wegfliegen. Also gut, quälen wir uns kurz mal aus dem Bett und wanken in den Regen und Sturm, der draußen tobt, um die Planen ordentlich zu befestigen. Danach legen wir uns wieder schlafen. Um 8:00 Uhr gehen wir zum Frühstücken, draußen wütet totales Sauwetter. Gegen 9:00 Uhr erscheint Eric beim Frühstück. Seine erste Frage: "Do you park your motrobike always like this?" (Parkst du dein Motorrad immer so?). Ich weiß gar nicht, wovon er eigentlich spricht, bis er mich zur Tür des Hotelparkplatzes zerrt. Da liegt mein Motorrad im Regen, vom Wind umgeworfen und nun gegen Ricardas gelehnt. Eric hilft mir, die Motorräder windgeschützter und näher an die Hauswand zu stellen. Bei diesem Wetter wollen wir unsere "trockenen 4 Wände" jedenfalls nicht verlassen. Wir verbringen einen ruhigen Tag am Hotel-Kaminfeuer und endlich kann ich Erics großen Wunsch erfüllen: Skat spielen lernen! Nebenbei plärrt von irgendwo ein Fernsehsender durch die Hotelhalle und wir bekommen das Ausmaß des Zyklons präsentiert.

Der Küstenort Torres, den wir am nächsten Tag ansteuern wollten, ist besonders schwer vom Sturm getroffen worden: Dächer abgedeckt, Stromleitungen abgerissen, Bäume entwurzelt, Tankstellen zerstört, völliges Chaos.

Am nächsten Tag scheint zum Glück wieder ein bisschen die Sonne und wir verlassen São Joaquim, um über die spektakuläre Serpentinenstraße "Serra do Rio do Rastro" in unendlich vielen Haarnadelkurven von 1300m hinunter auf 250m in die Küstenregion zu zuckeln. Unten angekommen, trennen wir uns von Gail & Eric.
Wir steuern erst einmal direkt ins gestrige Katastrophengebiet hinein, nicht aus Neugier, sondern weil es keine Alternativroute in dieser Gegend entlang der brasilianischen Ostküste Richtung Süden gibt. Obwohl sehr viel kaputt und verwüstet ist, finden wir doch noch ein intaktes Hotel für eine Nacht.



Tags drauf fahren wir weiter südlich erneut in die Berge hinauf, diesmal ist die Strecke zwar nicht so kurvenreich, dafür aber 40km Schotterpiste wie wir sie schon seit Bolivien nicht mehr erlebt hatten. Nur wenige Kilometer vor unserem Zielort müssen wir einer (immerhin beschilderten) Umleitung folgen, denn der gestrige Sturm hatte eine Brücke zerstört. Der Weg führt querfeldein und nach 3 km stehen wir vor einer Bachfurt, Ricardas Spezialität!
Diesmal immerhin, kann ich sie davon überzeugen, selbst hindurch zu fahren, da wir beide sonst richtig nasse Füße bekommen. Endlich oben angekommen, finden wir im kleinen Örtchen Cambará do Sul eine nette Herberge namens "Favo de Mel" (Honigwabe). Trotz vorangeschrittener Nachmittagsstunde unternehmen wir noch einen 'geschotterten' 23km-Ausflug zum riesigen "Cânion de Fortaleza". Uns war zwar schon klar, dass Nebel und Wolken im Canyon hängen würden, aber das man absolut nichts sehen würde, hätte ich nicht gedacht. So entscheiden wir, am nächsten Morgen nochmals hierher zu kommen – und wir sind sehr froh über diese Entscheidung, denn die Aussicht in und über diesen Canyon ist absolut spektakulär und grandios.

Am Nachmittag fahren wir in die nahe gelegenen Orte Canela und Gramado (ca. 110km entfernt), die sich bereits jetzt schon intensiv auf Ostern vorbereiten. Wir schlagen ein letztes Mal unser Zelt auf südamerikanischem Boden auf.

Abends reißen wir noch eine kleine Odyssee auf dem Weg zu einem Restaurant ab. Schließlich gibt es Pizza, aber diesmal anders: Rodízio, besser bekannt als "all-you-can-eat" (soviel-man-essen-kann). Eine Auswahl von 81 verschiedenen Geschmacksrichtungen wird uns in den nächsten 1,5 Stunden präsentiert und obwohl wir jeweils nur 1/8 Stück von jeder Sorte nehmen, sind wir auf dem besten Weg, bald zu platzen. Zum Schluß müssen wir auch noch süße Pizza essen, mit "Dulce de Leche" und Erdbeeren!

In den nächsten Tagen arbeiten wir uns kontinuierlich aus den Bergen heraus und an der Küste entlang Richtung Süden. 80km vor der uruguayischen Grenze durchfahren wir den Nationalpark "Laguna dos Peixes", wobei ich anfangs kaum meinen Augen traue: An den Ufern der Lagune, und ganz in Straßennähe, entdecken wir eine ganze Horde Capivaris! "Ohh, klasse", denke ich, "kriegen wir an unserem letzten Tag in Brasilien doch noch wild lebende Wasserschweine zu Gesicht!"

   

Uruguay

Für uns beginnt eine neue (alte) Zeitepoche. Schon beim Grenzübertritt wird uns deutlich: Hier ticken die Uhren in einem anderen Rhythmus, denn als wir dem Grenzbeamten mitteilen, dass wir ja wohl Einreisepapiere für die Motorräder benötigen (wir wollen die Motorräder ab Montevideo verschicken), beginnt eine 10-minütige Langsamkeits-Suche in diversen Papierstapeln nach dem entsprechenden Formular.
Auf Uruguays Straßen herrscht – abgesehen von der Hauptstadt – nahezu kein Autoverkehr, wobei die Landstraßen gut erschlossen und ausgebaut sind. So können wir nochmals bei schönstem Sonnenschein die letzten südamerikanischen Motorradfahrtage in ausgiebiger Ruhe genießen.



In Montevideo organisieren wir den Rücktransport der Motorräder. Sie sollen nach Madrid fliegen, damit wir von dort aus unsere Heimreise nach Deutschland fortsetzen und langsam unsere Reise beenden können.

Nach all den Erlebnissen der letzten 2 Jahre können und wollen wir uns nicht einfach – rummmmssss - wie mit einem Knall – wieder zurück in den deutschen Alltag katapultieren lassen.

Doch bevor wir dem südamerikanischen Kontinent "Lebe-wohl" sagen können, müssen wir noch unser Paket mit den dicken Motorradklamotten, dass wir vor Monaten per Bus vom argentinisch-bolivianischen Grenzort Pocitos nach Buenos Aires geschickt hatten, abholen fahren. Zum Glück gibt es gute Busverbindungen innerhalb Uruguays und eine schnelle Fährverbindung von Montevideo nach Buenos Aires, so dass wir noch die Gelegenheit bekommen, Uruguay näher kennen zu lernen, und nochmals unserer Lieblingsstadt Buenos Aires einen Besuch abstatten können.

   

Europa


In Madrid angekommen, erwarten uns einerseits die ersten schockierenden Erlebnisse Europas: Der Taxifahrer am Flughafen hat es überhaupt nicht nötig, ein wenig freundlich zu sein, vom Zimmerpreis des Hotels konnten wir zuvor 1 Woche lang gut leben und selbst für die Motorräder müssen wir 20 € berappen, um sie in der Hotelparkgarage in einer Ecke (nicht einmal ein offizieller Parkplatz) abstellen zu dürfen. Andererseits staunen wir nicht schlecht über die Einfuhr unserer Motorräder in den europäischen Verkehrsraum. Mit den Papieren des Frachtunternehmens suchen wir den Zoll auf und erwarten einen "Spießrutenlauf" à la Europäischer Bürokratie. Doch die Zöllnerin fragt uns nur, ob wir länger als 6 Monate in Spanien verweilen wollen und stempelt die Papiere ab. Nicht einmal sehen wollte sie unsere große Holzkiste – stempelnfertig – das war´s!

Von Madrid aus steuern wir den (bei Deutschen beliebten) Urlaubsort "Malgrat del Mar" an, denn die Tochter von Bekannten von Ricardas Eltern (connections um 1.000 Ecken helfen immer weiter) hatte ihren Osterurlaub dort verbracht und uns netterweise diverse Klein- und Ersatzteile sowie 2 Sätze neue (unsere alten) Originalreifen mitgebracht. Denn sobald wir nach Deutschland einreisen würden, sollte unser erster Weg zum TÜV führen – jaja, Deutschland, bald hast du uns wieder!!!

Die 14-tägige Heimfahrt ist recht schnell erzählt. Erneut meiden wir die Autobahnen und suchen kleinere, verschlungenere Landstraßen auf. Wir passieren Landesgrenzen mit den entscheidenden Unterschieden, dass sich die Sprachen ändern, nicht aber die Geldwährung - und wir benötigen keine Extrapapiere mehr für die Motorräder.

Nach 51.292 km, 26 Monaten und einer Woche, 13 durchfahrenen Ländern, 3795 Litern Benzin, 7 Reifensätzen, 2 ABS-Sensoren, 1 Bremsscheibe, 3 hinteren Federbeinen, 4 Satz Bremsbelägen, 6 Kettensätzen, sowohl 8 Öl- als auch Luftfiltern und 2 neuer Lampenhalterungen ist zwar unsere Reise faktisch beendet, doch in unseren Köpfen und Gedanken wird sie für den Rest unseres Lebens lebendig bleiben...

An dieser Stelle möchten wir all denjenigen unseren herzlichen Dank aussprechen, die uns auf unserer Reise begleitet haben, sei es via Internet, per e-Mail oder als Kommentare in unserem Gästebuch (immer noch sehr willkommen). Besonders bedanken möchten wir uns bei den Menschen, die unsere Unternehmung (el viaje - die Reise) immer wieder zu etwas Besonderem haben werden lassen, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, unser "Leben-Life-Lavida" in Lateinamerika...

 

 

 

PS: Wer erfahren möchte, ob und wie es weiter geht, dem empfehlen wir gelegentlich einen Besuch auf unserer homepage, denn das nächste Projekt geistert schon durch unsere Köpfe...

     
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