29.10. – 02.11.2003: Buenos Aires (Torsten)

Nach 7 Monaten betreten wir spät abends am Flughafen "Ezeiza" wieder argentinischen Boden. Die 30-minütige Shuttle-Bus-Fahrt mit "Tienda León" bringt uns mitten ins Stadtzentrum hinein.

Im Hotel "Tandil" in der "Avenida de Mayo" steigen wir ab. Das schmale, enge Foyer leitet uns direkt zum (antiken) Fahrstuhl. Wie aus alten Filmen bekannt, schieben wir erst eine "Ziehharmonika-Faltgittertür" zur Seite, dann eine zweite. Der Portier mahnt uns, daß wir nicht zusammen mit all dem Gepäck einsteigen sollen, sondern besser alles auf 2 Fahrten verteilen – "El ascensor es muy viejo".
Unser Zimmer im 3. Stock ist mindestens 4,50m hoch und hat einen kleinen, halbrunden Balkon. Trotz des Geländers wage ich mich kaum drauf, irgendwie "hängt" der Balkon schon verdächtig abschüssig. Dennoch können wir durch die tiefen Häuserschluchten blicken und der alltägliche Verkehrslärm dringt 24 Stunden am Tag bis zu uns hinauf.

 

Unserem Hotel schräg gegenüber befindet sich das älteste Café Buenos Aires´, das "Café Tortoni". Es stammt aus dem letzten Jahrhundert, von 1858 – und drinnen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Ober sind perfekt gekleidet, das Ambiente ist unschlagbar nostalgisch, erinnert ein bißchen an alte Wiener Cafés.

Überhaupt: Die Stadt hat ein besonderes Flair, Neues und Altes vermischen sich zu einer harmonischen Einheit. Wir genießen die frühsommerlichen Temperaturen, die unendlich vielen Cafés, Bars, Restaurants und das allgegenwärtige, muntere Straßenleben.

 

Zufällig ergibt es sich, daß wir abermals Franky, den Radler treffen, den wir bereits im Februar in El Calafate kennengelernt haben (e-Mail macht´s möglich).

Wir machen einen Ausflug zum beliebten Stadtviertel "La Boca". Hier wird auf der Straße Tango getanzt, und nicht nur die Häuser sind quietschbunt bemalt, sondern auch die Wellblechdächer leuchten in allen möglichen Farben. An allen Ecken und Enden kann man Bilder und Krimskrams kaufen. Es ist sehr touristisch.

 

 

Aber apropos Tango:
Eines Abends genießen wir im bereits erwähnten Café Tortoni eine "Tango-Sensation". Diese Tangoart nennt sich "Tango Nuevo", und es ist unglaublich, wieviel Schwung und Tempo in diesem Tanz steckt, wie ausdrucksstark und emotionsgeladen er ist. Immer wieder bin ich fasziniert, wie die tanzenden Beine "umeinander fliegen", ohne daß sich die Tänzer(Innen) gegenseitig vors Schienbein treten. Für 2 Stunden fühle ich mich der Realität entrissen.


Szenenwechsel. Wir besuchen den drittwichtigsten Friedhof der Welt (nach Paris und Mailand): "La Recoleta".

Bereits auf dem Hinweg begegnet uns erneut Nostalgie pur. Wir fahren mit der "Subte", so heißt hier die U-Bahn. In den Stationen sind die Wände bunt gekachelt und mit alten, verschnörkelten Motiven verziert.

Wir erreichen den Friedhof (el Cementerio). Er besteht ausschließlich aus Mausoleen, auch Evita Perón soll hier irgendwo begraben liegen. Wir schlendern so in den "Friedhofsgassen" umher, als uns plötzlich jemand anspricht, ob wir das Grab von Evita Perón suchen würden. Etwas zögerlich bejahen wir die Frage. Der Mann stellt sich als Claudio vor, er arbeitet seit 5 Jahren auf dem Cementerio. In den nächsten 45 Minuten führt er uns über den Friedhof und erzählt uns interessante Fakten:

- der Friedhof wurde 1822 geschaffen

- mittlerweile gibt es über 2400 Mausoleen

- hin und wieder öffnet er eine (Fall)Tür, und wir schauen in 5-8m tiefe Grüfte hinab, in denen die Särge rundherum übereinander gestapelt stehen

- in jedem Holzsarg befindet sich je ein Metallbehälter, in dem der Tote aufgebahrt liegt. Beim Verschließen des Metallbehälters wird eine Chemikalie (Formol) hinzugegeben, die einen geruchsfreien Verwesungsprozeß sicherstellt

- einzige Ausnahme dieser Methode ist Evita Perón. Sie wurde mumifiziert

- er zeigt uns ein Mausoleum, das ein Abbild der Notre Dame in Paris ist

- alles schillert im Prunk vergangener Zeiten: Steinsäulen, bunte Bleikristallfenster, dicke, schwere Marmorplatten

- im größten Mausoleum befinden sich 172 (!) Särge, denn hier ist es Tradition, daß nicht nur Familienmitglieder, sondern auch Freunde im gleichen Mausoleum bestattet werden

- sollte der Platz einer Grabstätte irgendwann nicht mehr ausreichen, lassen die Angehörigen die älteren sterblichen Überreste in kleinere Särge umlagern oder eingeäschert in kleineren Holzschatullen zurück bringen

- der teuerste Sarg kostete 25.000 Dollar, und

- das teuerste Mausoleum soll über 1 Million Doller kosten – dafür ist es aber auch überall mit Gold verziert

 

Leider, leider "fliegen" die Tage wieder einmal dahin, und es wird Zeit für uns, nun endlich nach Feuerland, und zurück zu unseren Motorrädern zu fliegen...

   
   
     
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