24.07 - 29.07.02: Erst hui, dann pfui (Ricarda)

Wir lassen die langweilige, nebelverhangene, graue Küste Perus hinter uns und fahren in die Berge Richtung Huaraz. Dazu verlassen wir die Panamericana und begeben uns mal wieder zurück in die Natur, was natürlich auch bedeutet " back to grawel, sand and stones". Nur langsam kommen wir vorwärts, vorbei an großen Kakteen, aber auch an grünen Oasen, in denen die Campesinos Mais, Zwiebeln, Karotten und verschiedene andere Gemüsesorten anpflanzen.

Auf der linken Seite unserer Piste begleitet uns der Rio Santa. Die Berge um uns herum werden mit der Zeit immer höher, denn der Fluß hat sich tief in die Felsen eingeschnitten. Ich denke, "endlich wieder Berge". Langsam beginnt mir Peru doch zu gefallen. Sonne (es gibt sie noch), blauer Himmel und vor allem landschaftliche Abwechslung. Gegen 17 Uhr erreichen wir - in the middle of nowhere - ein kleines Dorf, mit dem Namen Chuquicaro. Eigentlich ist es zu spät, um weiter zu fahren, denn um 18 Uhr wird es dunkel und bis zum nächsten Dorf sollen es noch gut zwei Stunden Fahrt sein.

Für mich zu lange - wir bleiben. Wir fragen nach einer Übernachtungsmöglichkeit und landen bei der einzigen Tankstelle, neben der Zapfsäule. Nein, Tankstelle stimmt zwar, aber wir schlagen unser Lager in einem kleinen, nackten Raum auf dem Boden auf. Es gäbe zwar ein schäbiges Bett, doch wir ziehen es vor, mit den Schlafsäcken auf den Isomatten zu schlafen.
Irgendwie sind der Ort und die Leute ziemlich nett, obwohl es hier so wirklich gar nichts gibt. Hinter der Tankstelle grunzen ein paar Schweine in die abendliche Stille hinein und magere Hühner scharren auf dem staubig-kargen Boden. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite mühen sich zwei Männer ab, aus einer Pampe aus Erde und Wasser, Mauersteine zu formen. Vor dem einzigen Restaurant verkaufen einige Frauen Früchte, das scheint alles zu sein. Vielleicht fragt man sich jetzt: "Wofür braucht ein "Nest" wie dieses ein Restaurant?"
Tja, also das Leben richtet sich ausschließlich nach den ankommenden Bussen, denn dann füllt sich für kurze Zeit das Restaurant und Leben kommt in den Ort. Sobald der Bus weiterfährt, fällt Chuquicaro zurück in seinen "Dornröschenschlaf".

 

Nachdem WIR gut geschlafen haben, geht es weiter auf der holprigen Strecke in Richtung Yuracmarca. Wir überqueren mehrere Brücken, im Stile der "Sixaola Brücke" (Fans unserer Homepage wissen, von was ich rede), aber diese Versionen hier sind entschärft und wir haben uns jetzt schon an das "3er-Holzbohlen-System" gewöhnt. Vorbei an "geologischen Schmankerln" (Zitat Torsten) nähern wir uns immer mehr dem Cañón del Pato (Enten-Canyon). Die Straße führt jetzt auf der alten Eisenbahntrasse weiter und wird schmäler, denn das Tal zwischen der Cordillera Blanca und der Cordillera Negra wird immer enger, bis die beiden Gebirgszüge nur noch durch den schmalen Fluß voneinander getrennt sind.
Hinter Huallanca geht es dann richtig los. Auf uns warten 35 Tunnels auf ca. 30km, einspurig, staubig und teilweise stockdunkel. Sie sind in den rohen Felsen gesprengt worden. Ich denke: "Wenn uns darin Autos entgegen kommen, dann wird es ja heiter!!!"
Es stellt sich heraus, daß viele Tunnels nur kurz sind und man die Strecke häufig auch gut einblicken kann und somit beobachten kann, ob Gegenverkehr im "Anmarsch" ist. Bei den längeren Tunnels muß man kräftig hupen, bevor man sich hinein wagt.

Wir halten häufig an und schauen auf der einen Seite ca. 150m tief in die Schlucht hinunter, auf den sich windenden Fluß, während auf der anderen Seite die Felswände senkrecht in den Himmel empor ragen. Es ist wirklich nur noch eine schmale Passage zwischen den beiden Cordilleren frei geblieben. Ein überwältigendes Naturschauspiel, das wir zwei kleine "Zwerge" mit unseren Motorrädern durchqueren.

Nach dem Cañón geht es weiter hinauf nach Huaraz. Bald schon tauchen die ersten, schneebedeckten 6000er der Cordillera Blanca vor strahlend blauem Himmel auf. Wir "swingen" gut gelaunt durch die Kurven (mittlerweile auf Asphalt), bis unser Blick gebannt auf den Huascarán fällt. "Was für ein Berg"! - Der höchste Berg Perus liegt zum Greifen nah.


Huaraz ist der absolute Bergsteigertreff. Hier versammeln sich Menschen aus der ganzen Welt, um die umliegenden Berge zu erklimmen. Wir haben leider, leider nur wenig Zeit, da wir sowohl Freunde in Süden Perus, als auch meine Eltern in Bolivien treffen wollen.

Außer einem kleinen Tagesausflug zu den "Lagunas Llanganuco" ist zeitlich leider nicht mehr möglich. Trotzdem bekommen wir einen ersten Eindruck der indígenen, andinen Welt Perus. Schweine, Kühe, Schafe stehen überall angebunden am Wegesrand. Felder ( zur Zeit knochentrocken) kleben auf den Hängen und überall sind die Bewässerungskanäle zu sehen, die schon zu Inkazeiten oder noch früher existierten. Kakteen und blühender Ginster wachsen teilweise auf den Adobemauern. Die Menschen tragen wieder Hüte und bunte Kleidung. Ein ruhiges Landleben!

Schade, wir müssen zurück zur Küste und dann nach Lima. Endlose 453km stehen uns bevor. Doch vormittags haben wir noch die Hochebene mit dem Panorama der Berge im Rückspiegel, aber schon geht es abwärts und 30km vor der Küste verdunkelt sich der Himmel - "Hochnebel, du hast uns wieder".

Bald quälen wir uns durch Lima. Die Panamericana zieht sich sage und schreibe mindestens 80km von Nord nach Süd durch die Stadt! Wir hatten eigentlich eine mehrspurige Stadtautobahn erwartet, doch im Norden Limas ist die "Traumstraße Südamerikas" nur eine mickrige Landstraße, dafür aber mit hunderten von Ampeln.

Alle fahren chaotisch kreuz und quer, und ich weiß nicht wie wir diese Fahrt heil überstanden haben. Einmal drängt mich ein fetter Lkw zur Seite ab und ich fühle mich doch etwas eingequetscht. Torsten wird fast von einem hinter ihm einscherenden Bus gerammt. Verzweifelt versuche ich, hinter ihm zu bleiben, ich klebe förmlich an seinem Hinterrad. Später fahren wir nebeneinander, was die Sache etwas leichter macht. Irgendwann, nach ewigem stop-and-go-Verkehr haben wir wohl das Zentrum passiert und danach wird der Verkehr ruhiger. Bis wir endlich das Hostal erreicht haben, sind wir 7 ½ Stunden gefahren. Wir sind fix und alle.
Am Anfang war die Fahrt hui, am Ende pfui!

In Lima bleiben wir nur kurz, es gefällt uns hier nicht besonders gut. Interessant sind allerdings die Museen. Im Nationalmuseum folgen wir der Geschichte Perus. So vielfältig und spannend hatten wir sie uns nicht vorgestellt. Da gab es z.B. das Volk der Chimú in Chan Chan; die Völker der Nasca-, der Pucara-, der Chavín- und der Mochica-Kultur, um nur ein paar wenige zu nennen. Die ausgestellten Objekte und Funde dieser Kulturen der Präinkazeit belegen eindrucksvoll, wie vielfältig die Entwicklung Perus, bzw. des ganzen südamerikanischen Kontinents war. Wir sehen unzählige Keramikgegenstände (oft zeremonielle Gefäße), Textilien (feinste Webarbeiten), Kunstschmiedearbeiten und sogar trepanierte Schädel.

Wir haben also festgestellt, daß nicht nur die "Inkas", die so häufig erwähnt werden und in allen Köpfen herum "spuken", in Südamerika gelebt haben, sondern daß auch schon hoch entwickelte Kulturen zu Zeiten existierten, als sich die "Germanen" noch gegenseitig mit Holzkeulen die Rüben eingeschlagen haben.
Gerne hätten wir noch das angeblich sehr beeindruckende Goldmuseum besucht, aber wegen des Nationalfeiertags war es leider geschlossen.

   
   
   
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