25.06. - 03.07.02: Auf Umwegen zum Dschungel (Ricarda)

Die Fahrt führt uns heute vom Vulkan Chimborazo über einen Pass Richtung Norden nach Latacunga. Ab der Passhöhe umschließt uns dichter Nebel und es wird empfindlich kühl doch wir schaffen es, und nähern uns langsam, aber stetig dem Städtchen Latacunga. Wieder einmal müssen wir mitten durch das "Centro", um ein bestimmtes Hostal (Tipp eines Paares aus Israel) zu finden. Die Gassen sind besonders eng und es ist 16 Uhr nachmittags, sozusagen "rush hour" in Latacunga, was die Sache keineswegs leichter macht. Nach mehreren Fehlversuchen stehen wir plötzlich, ohne so recht zu wissen, wie wir es geschafft haben, direkt vor dem gesuchten Haus. Abladen, Ausruhen!

Wir fragen uns am Abend, ob wir den "Quilotoa Circuit" in Angriff nehmen sollen oder nicht? Bei Nebel lohnt es sich leider nicht, 172km durch die Berge zu "eiern", aber laut Reiseführer soll es bei guter Sicht gigantisch sein. Wir vertagen unsere Entscheidung auf morgen.
Nach dem Frühstück unterhalten wir uns mit der Besitzerin über das Wetter (tolles Thema). In Latacunga ist es ziemlich bewölkt, sie versichert uns allerdings, daß es oben in den Bergen besser ist. Also glauben wir ihr, "satteln die Hühner" und machen uns auf den Weg, voll Hoffnung auf gute Aussicht.
Den ersten kleinen Zwischenstopp legen wir in Pujilí ein. Heute ist großer Markttag, wie jeden Mittwoch. Mit großen Megaphonen bieten die Händler ihre Ware an, die hauptsächlich aus Obst, Gemüse und Kleinvieh besteht. Es herrscht ein ziemlich buntes Treiben, mit dementsprechendem Geräuschpegel. Alles geht kreuz und quer, drunter und drüber. Torsten möchte gerne ein paar Bilder von der Szenerie machen und fragt eine Marktfrau, ob er sie fotografieren dürfe. Claro, aber nur, wenn sie dann auch ein Bild bekäme!. Also gut, er verspricht ihr, wieder zu kommen. Derweil stehe ich geduldig bei den Mopeds und halte ein wachsames Auge auf unser Gepäck. Schnell bin ich von 10 Leuten umringt, die interessiert die Mopeds betrachten, und wie meistens kommt es zu einem kleinen Schwatz, so daß ich keine Langeweile habe. Man bleibt hier als "Gringa" übrigens nie lange alleine.

Wir fahren weiter und über viele Haarnadelkurven, schrauben wir uns hinauf in die Höhe. Der Cotopaxi (Vulkan mit 5897m) gibt im Osten ein wenig von seiner gigantischen Größe preis, hält aber leider seine Spitze "schamvoll" in Wolken versteckt. Die Sonne lacht vom Himmel herunter und das Fahren macht richtig Spaß. Die Aussicht ist gigantisch, Dörfer werden seltener, nur noch vereinzelt tauchen Indígenas mit Schafen oder Schweinen auf. Längst hat sich die Teerstraße verabschiedet und ist von Schotter abgelöst worden. Nach dem Ort Zumbahua erreichen wir einen sandigen Canyon. Die Vegetation hat sich total verändert. Es ist zunehmend trockener und sandiger geworden. Viele Kakteen stehen am Rand des Weges und bei den kleinen Hütten der Einheimischen bilden sie sogar richtige Hecken. Es scheint gerade Erntezeit für Korn zu sein. Überall wird auf den kleinen Feldern fleißig gearbeitet. Die kleinen Indígenas schleppen große Bündel geschnittenes Korn auf dem Rücken nach Hause. Bei jedem (Foto-)Stop rennen Kinder herbei. Manchmal verschenken wir ein paar Buntstifte, die wir vorsorglich für solche Gelegenheiten gekauft haben, obwohl die Kinder natürlich immer nach Geld fragen.
Die Strecke wird permanent schlechter. Der Weg ist mit Spurrillen und Sandlöchern übersäht, aber wir schaffen es bis zum Kraterrand der Quilotoa-Lagune. Wahoo, was für ein gigantischer See liegt plötzlich 500m unter uns. Fast kreisrund, wäre da nicht irgendwann ein Erdrutsch gewesen. Man kann die Lagune erst sehen, wenn man ganz nah am Kraterrand steht. Dies ist heute ein etwas schwieriges Unterfangen, denn der Wind bläst uns und die Motorräder fast davon. Ein steiler Weg führt durch einen kleinen Canyon hinunter zum See. Ein zweiter Weg führt am Kraterrand entlang, allerdings würde man dort heute wegfliegen. Wir müssen leider weiter und benötigen für die nächsten 20km geschlagene 2 Stunden, was Einiges über den Weg nach "Chugchilán" aussagt. Glücklich am Dorfplatz angelangt, werden wir gleich von "Mama Hilda" in ihr Hostal "verschleppt". Welch eine Überraschung - mitten in der Pampa empfängt uns ein super nettes Häuschen mit Liegestuhl, hübschem Garten, warmer Dusche und netten Gastgebern. Nie hatte ich auch nur zu hoffen gewagt, so etwas zu finden. Die Mühen hierher zu kommen, haben sich also in vielerlei Hinsicht gelohnt. Ich bin zwar total k.o. und schlapp von der äußersten Konzentration, die die ganze Fahrt über nötig war, aber auch glücklich. Ein toller Tag, mit einem gigantischen Abschluß. Hier könnte man noch ein paar Tage bleiben, aber wir müssen langsam weiter.

Am nächsten Tag wiederholt sich das Gleiche noch einmal. Endlos zieht sich die Fahrt. Es geht bergauf, bergab, bergauf und bergab. Keine Ende in Sicht. Dazu kommen chaotische Busfahrer, die uns sogar bei eigentlich nur einspuriger Fahrbahn mitten in einer scharfen Kurve überholen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Ich kann nicht mehr, aber nach einer kurzen Pause geht es mir wieder besser. Nach 3 ½ Stunden haben wir den Rest des "Quilotoa Cirquits" geschafft und es bietet sich uns ein totales Kontrastprogramm, die Panamericana. Der 4-spurige Highway nach Quito ist erreicht.

Quito, die Hauptstadt Ecuadors hat uns wieder. Wir machen ein paar Tage Pause, zum Einkaufen, e-mailen, Lesen, Abhängen. Wir treffen zufällig Jeff und Marie wieder (beide sind Engländer, wir hatten sie schon einmal kurz in Quito und auf den Galapagosinseln getroffen). Es entwickelt sich ein netter Kontakt mit den Beiden, so daß wir viel Spaß miteinander haben.
Auf unserem Reiseprogramm, das klingt ziemlich durchorganisiert - ist es aber nicht, steht immer noch ein Besuch des Äquators. Wir machen uns also auf zum "Mitad del Mundo", so wird es hier genannt. Er ist ca. 30 Minuten nördlich von Quito entfernt. An der Äquator-Linie haben sie natürlich ein großes Monument errichtet mit einer parkähnlichen Anlage, vielen kleinen Restaurants und Souvenir-Shops. Komischerweise zeigt das GPS von Torsten, an der gelben Linie gar nicht 0 an. Was ist hier los! Der tatsächliche Äquator verläuft ca. 150m weiter, außerhalb des Parks mitten durch die " Prärie". Es sei dem Erbauer des Monuments Charles-Marie de la Condamine und seiner französischen Expedition verziehen, denn im Jahre 1736 gab es noch keine Satelliten und kein GPS.

30. Juni 2002 - na, klingelt es bei allen deutschen Lesern? WM - Finale!!! Wir stehen um 6 Uhr morgens auf und sitzen zwischen lauter Franzosen in unserer Herberge "L' Auberge Inn" vor dem Fernseher. Es fühlt sich komisch an, kommen doch gar keine Heimatgefühle auf. Ohne Freunde und Bekannte ist so ein Fußballspiel irgendwie nicht so aufregend. "Buhuhu, wo seid Ihr denn alle???"

Na, wir haben es überlebt. Wir beide gehen heute getrennte Wege. Keine Angst wir haben keinen "Ehekrach", nein nur unterschiedliche Interessen. Torsten fährt zum Vulkan Cotopaxi, während ich mich aufmache, zur Fotosession in die Altstadt von Quito und die "freie Zeit" genieße. Wie sich das anhört "freie Zeit", ich habe doch die ganze Zeit frei, aber es ist anders, ob man ein paar Tage an einem Ort verweilt, oder ob man jeden Tag weiterzieht. Zum Stichwort "Weiterziehen", wir wollen uns noch den Dschungel von Ecuador anschauen. Dazu starten wir am 02.Juli in den "Oriente", was bedeutet, von Quito in Richtung Osten abbiegen. Unser Tagesziel heißt "Papallacta". Ein Ort auf 3900m Höhe, aber mit heißen Quellen, in denen wir am späten Nachmittag ausgiebig baden gehen, und zwar bei dichtem Nebel und nur sehr niedrigen Außentemperaturen. Wir sind nicht alleine hier, zwei Deutsche leisten uns Gesellschaft, Ulli und Alex aus Dresden. Gemeinsam schlagen wir am Abend unsere Zelte "im Garten" der Nobelherberge auf. Unsere Geldbeutel sind zu schmal ausgefallen, können und wollen wir nicht die 70 US-$ für die Nobelherberge bezahlen. Gemeinsam verbringen wir einen netten Abend und leider trennen sich unsere Wege so schnell wieder, wie sie sich getroffen haben. Leider! Die beiden wollen in die Berge, sie sind hauptsächlich zum Wandern hier und wollen dann weiter nach Peru. Unsere Route sollte uns heute eigentlich über "Baeza" nach "Tena" führen, aber es kommt alles ganz anders.

Nach Papallacta wird es üppiger und grüner, mit Palmen, Farnen, Bromelien usw. am Wegesrand, der Dschungel naht. Leider gibt es auch einen breiten, kahl geschlagenen Streifen. Alles ist aufgewühlt und sehr schlammig. Anscheinend wird dort gerade an einer Pipeline gebaut. Daher begleiten uns auf der Schotterstraße viele Lkw mit Baumaterial. Mir gefällt es bisher gar nicht hier. Plötzlich passieren wir eine lange Schlange wartender Lkw. Zunächst denken wir uns nichts dabei, aber an einer besonders engen Stelle wendet gerade ein "Pickup" und der Fahrer ruft uns etwas zu. Haben wir das gerade richtig verstanden? Es geht hier nicht mehr weiter? Was hat das zu bedeuten? Was hat er gesagt, die Brücke ist unpassierbar? Was ist hier los? Wir fahren noch ein Stückchen weiter, das müssen wir uns näher ansehen. Viele Menschen laufen umher, kommen uns entgegen, verkaufen Getränke und Essen, es herrscht ein ziemlicher Trubel. Mir wird es zu eng hier, so daß ich anhalte. Torsten fährt alleine bis vor zur Brücke. Er berichtet mir über Funk, was passiert ist. Ein Lkw mit vollem Bitumen-Tank ist der Länge nach mit der rechten Seite in die Brücke gestürzt. Die Metallplattenkonstruktion der Brücke hat sich wohl gelöst. Die Platten liegen jetzt tief unten im Fluß. Wie wir so langsam erfahren und mitbekommen, ist der Unfall wohl schon gestern Nachmittag passiert, aber bis jetzt hat sich an der Unfallstelle nicht sehr viel getan. Im Moment wird versucht, mit einer Minipumpe den Laster leer zu pumpen. Angeblich ist auch schon "schweres Gerät" zur Bergung unterwegs. Wie das allerdings bis zur Unfallstelle gelangen soll, ist mir ein Rätsel, denn die teilweise sehr schmale Schotterstraße ist mittlerweile ein 2 km langer Parkplatz geworden.

Wir überlegen hin und her. Warten oder nicht warten, das ist hier die Frage. Wir beschließen umzukehren, und 250km südlich über den Ort "Baños" in den Dschungel zu fahren. Dann rollen wir das Feld eben "von hinten" auf. Also zurück in Richtung Quito, aber wir fahren bis nach Macchachi (ca. 40 km südlich von Quito) und übernachten in einer wunderschönen Hacienda mit dem Namen "Papagayo".

Es ist ein altes Gemäuer, liebevoll hergerichtet. Ein Traumhaus, wie es mir auch gefallen würde. Der jetzige Mieter, übrigens ein Israeli, hat versucht Altes zu erhalten und trotzdem kostengünstig zu bleiben. So kann er auch an junge Leute (wie wir) zu einem guten Preis Zimmer anbieten. Es ist nicht alles perfekt, vieles ist sehr einfach geblieben. Trotzdem haben einige Zimmer neue kleine gußeiserne Holzöfen bekommen. Wir machen es uns in unserem Zimmer muckelig warm (immerhin sind wir 3100m hoch) und haben einen super gemütlichen Abend nach einem langen Tag mit "ein paar kleinen" Problemchen.

Tags drauf fahren wir über die Panamericana nach Süden und biegen schließlich nach Osten Richtung Baños ab. Langsam aber sicher nähern wir uns nun dem Dschungel...

 
 
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